Deborah Hay Score Project: Solo Filming

Deborah Hay Score Project:

Solo Filming

Die Filmaufzeichnungen der Solos von Ros Warby, Juliette Mapp und Jeanine Durning fanden vom 18. bis 23. April 2011 im Frankfurt LAB statt. Dabei wurden um den Bühnenraum herum vier Kameras in Aufsicht positioniert: eine vorn in ‚Master Shot‘-Position, zwei vorn diagonal und eine hinten diagonal. Eine fünfte, auf einem Stativ angebrachte Kamera verfolgte die Tänzerinnen. Hier eine vergrößerte Ansicht der Abbildung rechts einschließlich der Kamerapositionen.

Diagramm des Set-ups der Filmaufzeichnungen: Florian Jenett

Im vorangegangenen Beitrag (Deborah Hay Testaufzeichnungen) war davon die Rede, dass das Partitur-Team möglichst viele Versionen der Performance aufzeichnen wollte. Also tanzten Ros, Juliette und Jeanine jeweils mehrere Male ihre Version der schriftlichen Partitur No Time to Fly. Wenn die Tänzerinnen ihre Adaptionen von Deborahs Choreographie ausführen, wiederholen sie dabei nicht dieselben Bewegungen in Zeit und Raum.

Ros Warby & Anna Berger an der Kamera, die sie verfolgt. Foto: Jessica Schäfer

Deborah hat auf ihrer Website Anmerkungen zu diesen Adaptionen und den „fließenden Wahrnehmungsherausforderungen“ an die Tänzerinnen veröffentlicht: „… Wie detailliert oder umfassend die Sprache auch ist – zwischen schriftlicher Partitur und Performance verbergen sich Elemente, die undefinierbar sind, weil meine ‚verbale Dialektik‘ vorsätzlich nicht die Macht hat, die Bewegungsdialektik der Tänzerin zu definieren.“ Das Partitur-Team hatte sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, nach Wegen zu suchen, um verborgene Elemente sichtbar zu machen.

Deborah Hay & Ros Warby. Foto: Jessica Schäfer

Zu den Methoden, mit denen das Partitur-Team die Solos aufzeichnete, gehörte auch die Anwendung von Piecemaker, einer Software zur Echtzeitannotation von Video, die im Rahmen von Motion Bank entwickelt wird. Während die Soloadaptionen aufgezeichnet wurden, waren täglich einige Personen zu Gast, um zuzusehen und jedes Mal eine Markierung zu setzen, wenn sie feststellten, dass sich in der Performance etwas veränderte.

Deborah Hay & das Motion Bank Partitur-Team. Foto: Jessica Schäfer

Diese Gäste kannten weder den Tanz, noch hatten sie die schriftliche Partitur gesehen. Es blieb ihnen allein überlassen, Veränderungen im Tanz zu markieren. Inzwischen nutzt das Partitur-Team diese Daten, um festzustellen, inwiefern sich die in der schriftlichen Partitur angegebenen Veränderungen mit dem überschneiden, was der „außenstehende Betrachter“ sieht.

Piecemaker-Interface „Add New Marker“. Foto: Jessica Schäfer

Zusätzlich wurden bei jeder Performance Tonaufzeichnungen in High-Fidelity-Qualität gemacht. Dies erforderte die Einrichtung eines Systems, das sowohl die Geräusche im Raum als auch die Vokalisationen der Tänzerinnen erfasste, die ebenfalls in der schriftlichen Partitur angegeben sind, wie zum Beispiel: „I open my mouth and hear a holy song rise up out of me.“ (Partitur No Time to Fly, S. 11)Zur Post-Production im Anschluss an die Aufzeichnung der Soloadaptionen gehört auch die Synchronisation von Video, Markierungen und Audiodaten aller Versionen. Anhand des so entstandenen Rohmaterials lassen sich Muster studieren und im Rahmen des Designprozess extrahieren. Darüber hinaus werden Computer Vision-Algorithmen auf Daten angewandt, die aus den Videoaufzeichnungen abgeleitet wurden, um die Position der Tänzerin im Raum zu ermitteln. So kann man schließlich die Unterschiede zwischen den Versionen studieren –zwischen den Solos der jeweiligen Tänzerin und zwischen den jeweiligen Solos der drei. Dieser Prozess wird in späteren Beiträgen näher beschrieben werden.

Ros Warby wird mit einem Mikrofon ausgestattet. Foto: Jessica Schäfer

Am Ende der Woche hatten Ros, Juliette und Jeanine ihre Soloadaptionen jeweils sieben Mal getanzt, sodass dem Partitur-Team nun insgesamt Aufzeichnungen von einundzwanzig Versionen derselben Choreographie No Time to Fly zur Verfügung standen und analysiert werden konnten. Deborah und die Tänzerinnen kamen später erneut zusammen und entwickelten ein Trio mit dem neuen Titel As Holy Sites Go, das auf den Soloadaptionen beruhte.

Jeanine Durning bei der Ausführung ihrer Adaption. Foto: Jessica Schäfer

Svenja Kahn vom Fraunhofer-Institut erklärt die Technik der Computer Vision, mit deren Hilfe die 3D-Pathway-Informationen aus den Soloadaptionen von No Time to Fly extrahiert wurden. Diese Informationen spielten bei der Analyse und Synthese von visuellem, auf Deborah Hays choreographischem Ansatz beruhendem Material eine entscheidende Rolle.